Holzbau als Klimaretter

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hans Joachim Schellnhuber
Im Portrait
Generaldirektor, Internationales Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA);
Distinguished Visiting Professor, Tsinghua Universität;
Gründer, Bauhaus Erde gGmbH
Hans Joachim „John“ Schellnhuber CBE (* 7. Juni 1950) ist einer der weltweit renommiertesten Klimaforscher und Experte für Klimafolgenforschung sowie Erdsystemanalyse. Er gründete 1992 das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und leitete es bis 2018. Von 2009 bis 2016 war er Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) und ist langjähriges Mitglied des Weltklimarats (IPCC).
Seit Dezember 2023 steht er dem Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien vor. Er prägte die Klimaforschung mit dem Konzept der Kippelemente und forderte früh entschlossene Maßnahmen zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels, insbesondere durch den Umstieg auf erneuerbare Energien.
Das Interview
Jane-Beryl Simmer: Lieber Herr Prof. Schellnhuber, vielen herzlichen Dank für die Möglichkeit zu diesem Gespräch.
Prof. Joachim Schellnhuber: Sehr gerne.
Jane-Beryl Simmer: Auch danke, dass Sie uns vor kurzem die Ehre erwiesen haben, bei unserer Übergabeveranstaltung mit hoch interessanten Themen, die alle Zuhörer wirklich begeistert haben. Und da sind da noch ein paar Fragen im Raum geblieben. Sie haben ja auch erwähnt, dass die globale Durchschnittstemperatur im vergangenen Jahr bereits die 1,5 Grad Marke überschritten hat. Die auch eine Leitplanke ist. Gibt es da jetzt noch ein Auskommen? Gibt es da jetzt noch ein Zurück oder wie ist Ihre Sichtweise?
Prof. Joachim Schellnhuber: Die 1,5 Grad sind Teil des Pariser Klimaabkommens gewesen. Man hat gesagt, gerade für die kleinen Inselstaaten, die den Meeresspiegelanstieg fürchten müssen, sind 1,5 Grad gerade noch handhabbar. Ich war damals schon skeptisch, dass es physikalisch möglich ist, das zu halten unter dieser Grenze. Jetzt im letzten Jahr sind wir tatsächlich in der globalen Mitteltemperatur darüber hinausgegangen. Es kann sein, dass wir auch wieder zwei etwas kühlere Jahre kriegen. Das hängt mit sogenannten El Niño-Phänomene zusammen, im Ost-Pazifik, dort, wo manchmal die Winde sozusagen in die andere Richtung blasen. Dann wird warmes Wasser sozusagen an die Küste von Peru getrieben und dann wiederum gibt es ein La Niña. Also das ist die kalte Schwester von El Niño. Ein Ereignis, wo ganz viel kaltes Wasser aufquillt sozusagen. Und das führt dann dazu, dass Temperaturen wieder ein bisschen sinken. Größenordnung 0,1 Grad vielleicht oder 0,2 Grad. Es kann passieren, dass wir wieder knapp unter die 1,5 Grad rutschen, aber das ist dann nicht von Dauer natürlich. Langfristig ist es einfach so, dass der größte Teil der Energie durch den verstärkten Treibhauseffekt geht halt in die Ozeane und das ist wie ein Warmwasserspeicher. Und diese Temperatur werde ich nicht mehr los, jedenfalls nicht kurzfristig Die Ozeane heizen sich auf, das Mittelmeer ist so warm wie überhaupt noch nie. Und diese Temperaturen werde ich nicht kurzfristig wieder los, diese Energie und deswegen werden wir uns darauf einrichten müssen, dass wir in den nächsten 10, 20 Jahren deutlich über 1,5 Grad sind. Leider glaube ich, werden wir auch die 2-Grad-Marke überschreiten, dann wirds richtig gefährlich.
Jane-Beryl Simmer: Danke für diese Einschätzung.
Sie haben in Ihrem Referat, in Ihrer Information auch von der Wald-Bau-Pumpe gesprochen. Können Sie das Prinzip und die Rolle des Holzbaus dabei noch etwas genauer und dennoch kurzgefasst darstellen?
Prof. Joachim Schellnhuber: Es geht darum, die Forstwirtschaft, die nachhaltige Forstwirtschaft mit der Bauwirtschaft zu verkuppeln, wenn Sie so wollen, auf produktive Weise. Dadurch, dass wir so viele fossile Energieträger verbrennen, also, Kohle, Öl, Gas, bringen wir quasi uralte Biomasse, die sie vor 300 Millionen Jahren gebildet hat, wieder in die Atmosphäre zurück. Weil Kohleflöze sind nichts anderes als abgestorbene Biomasse, die dann durch geologische Prozesse zusammengepresst wurde und so weiter. Das setzen wir jetzt wieder frei. Jetzt die Vorstellung, wenn so viel CO₂ wieder in die Atmosphäre geht, dann kann natürlich die Photosynthese noch besser arbeiten, weil Photosynthese ist vor über 3 Milliarden Jahren von der Evolution erfunden worden. Meiner Ansicht nach, die größte Erfindung aller Zeiten. Was tut Sie? Pflanzen die zur Photosynthese fähig sind, oder Algen nehmen CO₂ aus der Luft, nehmen Wasser und Sonnenlicht und daraus formen Sie zwei Komponenten die für uns alle extrem wichtig sind. Sogar essenziell, nämlich, es wird Zucker gebildet aus dem wahnsinnig komplizierte Biomasse leben kann später, und Sauerstoff. Wir tun ja nichts weiter als das wir diesen Zucker nehmen. Also der entsteht, in der Landwirtschaft und wir essen das und atmen dazu. Das Atmen ist Sauerstoff und dann wird Energie erzeugt, davon Leben wir, dadurch bewegen wir uns. So und diese Biomasse kann aber eben immer besser gebildet werden je höher die Temperaturen sind, je mehr Wasser im Kreislauf ist und je mehr CO₂ in der Atmosphäre ist. Das heißt, der Klimawandel, den wir im Augenblick anschieben, wo es wärmer wird, wo der Wasserkreislauf angeregt wird und wo natürlich viel mehr CO₂ in der Atmosphäre ist, der begünstigt die Photosynthese. So und Photosynthese machen vor allem Bäume, wenn sie wachsen, das heißt wenn sie Holz erzeugen. Die Idee ist, dass wir das nutzen, diesen Effekt und auch degradierte Flächen wieder aufforsten, so dass wir mehr Wälder haben, mehr Biomasse auf der Erde, um damit Holzbau zu betreiben, insbesondere. Warum sage ich aber Runde? Weil es soll möglichst in ein geschlossener Kreislauf sein, jeden Baum, den ich fälle, den ersetze ich durch eine Neuanpflanzung natürlich und dabei kann ich sogar noch den Wald umbauen in Richtung besserer Klimaangepasstheit. Wir werden zum Teil mediterrane Bäume vielleicht einführen. Robinien und so weiter. Und auch wenn die schwer zu bearbeiten sind, das weiß ich von den Holzbauern, aber wie auch immer, es gibt viele Möglichkeiten. Das heißt wir würden im Kreislauf führen wir würden Biomasse ernten. Im großen Stil. Aus nachhaltiger Forstwirtschaft und würden aber diese sofort wieder ersetzen durch Neuanpflanzung, so dass wir hochproduktive Forstwirtschaft haben, die uns die Rohstoffe liefert um aus Holz zu bauen. Bambus kann natürlich das selbe leisten, auf der Südhalbkugel und das ist jetzt der zweite Kreislauf den wir brauchen. Wir verbauen das also und damit haben wir im Grunde genommen CO₂ verbaut, das wir aus der Atmosphäre rausgezogen haben über die Photosynthese und können es langfristig speichern dieses CO₂. Heißt, wir reinigen die Atmosphäre von früheren Emissionen. Das ist schon mal großartig. Aber dann kommt es darauf an das ich eben nicht so baue, wie man das in den USA leider immer noch tut, dass ein Haus nach 20, 30, 40 Jahren einfach wieder verbrannt wird, thermisch genutz wird, sondern wir sollten so bauen, dass dieses CO₂ in den Gebäuden für mindestens 100, 200 Jahre gespeichert ist. Was nicht heißt, dass das Haus immer so bestehen muss, sondern ein Balken kann wiederverwendet werden, aber das heißt zirkuläres Bauen nicht toxisch verleimen, sondern lieber verschrauben, zum Beispiel. Wo ja ihre Firma weltweit führend ist usw. Dass ich also die Grundelemente des Holzbaus über lange Zeit den Kreislauf führen kann, immer wieder nutzen kann, aber gleichzeitig sozusagen dafür sorge, dass eben diese Elemente, dann das CO₂ weiter speichern. Die Idee von zwei Rädern, die sich drehen, sich gegenseitig verzahnen und nach und nach indem ich diese Räder bediene, die Atmosphäre wieder von CO₂ freipumpe. Und wir haben ausgerechnet, dass ich diese Pumpbewegung mindestens fünf Mal machen muss, dann hätte ich so viel CO₂ wieder aus der Atmosphäre rausgeholt, dass wir wieder in einem klimaverträglichen Zustand sind, sozusagen.
Jane-Beryl Simmer: Beeindruckend! Gibt es aus Ihrer Sicht dazu auch eine Grafik, eine grafische Darstellung, wo auf einen Blick sichtbar wäre wie elementar der Holzbau für unser Klima ist?
Prof. Joachim Schellnhuber : Also man kann natürlich ein Bild von dieser Pumpe machen, das habe ich euch auch kurz gezeigt, es ist halt sehr technisch. Aber es zeigt, wie diese beiden Schwungräder ineinander greifen und sich dann zu einer Pumpe vereinigen, sozusagen. Es gibt vielleicht eine andere Grafik, die kann ich Ihnen dann gerne zur Verfügung stellen.
Da haben wir ausgerechnet, was wäre, Die Menschheit würde wahrscheinlich noch mal um 2 Milliarden anwachsen, vor allem im globalen Süden, vor allem in Afrika. Und wir haben ausgerechnet, was wäre, wenn wir diese 2 Milliarden Menschen, behausen würden, im Wesentlichen mit Stahlbeton, Plastik und Aluminium und Glas, sofern sie es sich überhaupt leisten könnten natürlich, und wie viel zusätzliches CO₂ würde dadurch in die Atmosphäre gehen. Da kommt man zu dem Ergebnis, dass das allein 70 Milliarden Tonnen CO₂ wären. Also eine ungeheure Menge. Und dann haben wir uns das umgekehrte Szenario angeschaut, und da kann man so richtig schöne Balkendiagramme dafür machen, das stelle ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Das umgekehrte Szenario heißt, wir bauen jetzt aus Holz stattdessen. Die Treppenhäuser können immer noch aus Beton sein und man wird, Ihre Schrauben sind aus Stahl, nehme ich an, und das macht gar nichts, man kann hybrid gerne bauen, aber wenn der überwiegende Anteil Holz wäre, dann kann man zeigen, dass man nicht nur vermeidet, diese Emissionen, aus Stahlbeton, also das nennt man Substitution, das heißt diese Emissionen fallen weg, aber zusätzlich habe ich über die Photosynthese nochmal dieselbe Größenordnung von CO₂ gespeichert. Das heißt ich mache in derselben Größenordnung sogar frühere Emissionen wieder gut. Die heile ich sozusagen und dann kommen sie auf 70 + 70 etwa rund 140 Milliarden Tonnen CO₂ und das ist übrigens das Budget, das wir weltweit noch zur Verfügung haben, wenn wir bei der 1,5-Grad-Linie noch verharren wollen. In etwa so ungefähr diese Größenordnung. Das sind allein Menschen, die zusätzlich dazu kommen jetzt. Diese 2 Milliarden Menschen. Wenn die mit Holz bauen, es kann Geschossbau sein, es kann Flachbau sein, was auch immer, behaust würden, dann würden wir eine ungeheure Menge von CO₂ sozusagen vermeiden und sogar frühere Klimasünden wieder gut machen. Ich denke, im Englischen sagt man so schön, “value proposition” , also eine bessere value proposition kann ich mir gar nicht vorstellen.
Jane-Beryl Simmer: Beeindruckend. Was mich jetzt noch interessieren würde, welchen realistischen Beitrag kann jeder von uns fürs Klima tagtäglich leisten? Gibt es da eine Idee, wie es jeder von uns machen kann?
Prof. Joachim Schellnhuber: Es gibt ein ganzes Portfolio natürlich. Ich würde sagen, man sollte nicht unbedingt in einem alten Diesel-Auto rumfahren, weil da gab es immer die Debatte, aber wenn man die Autos zu Ende fährt, 20 Jahre bei der Produktion von Elektroautos, fällt ja auch Treibhausgas an und so weiter. Es gibt eine neue Studie, die zeigt, dass sich die Klimaschuld unglaublich schnell amortisiert, sozusagen bei Elektroautos. Nach 2,5 Jahre. Soll heißen, wenn sie ein konventionelles Auto produzieren, fällt bei der Herstellung nicht so viel CO₂ an, wie beim Elektroauto. Wegen der Batterie. Aber im Betrieb, nach zweieinhalb Jahren, haben Sie quasi diese Klimaschuld schon zurückgezahlt. Wenn so ein Auto 10 Jahre fährt oder länger dann sind Sie im Plus auf jeden Fall. Also Elektromobilität ist sinnvoll, ganz gleich, was manche Leute immer wieder an Schauergeschichten erzählen. Dasselbe gilt natürlich für erneuerbare Energie. Photovoltaik, ist die dominierende Stromform wahrscheinlich in 10-20 Jahren weltweit, also wir haben ein altes Haus in Italien mit Freunden erworben und wir haben das komplett auf Geothermie, Photovoltaik, umgestellt und mit Elektromobilität. Da ist eine Wallbox und da werde ich dann mein Auto aufladen. Ich sage nicht, welches Elektroauto es ist, aber es gibt inzwischen so viele Angebote. Aber die wichtigste Entscheidung, die wichtigste Entscheidung des Individuums, und da bin ich wieder bei Ihnen. Einmal im Leben, heißt es so schön, baut man ein Haus und dieses Haus, das sollte aus organischen, nachwachsenden Rohstoffen, gebaut werden. Das ist eine große Entscheidung, denn ein Einfamilienhaus wiegt 100 Tonnen in etwa und dabei werden bei konventionellen Baustoffen, 100 Tonnen CO₂ freigesetzt. Wenn Sie sich für Holzbau entscheiden,und wenn Sie einen Hybridbau haben, uns sagen wir um die 70 % des Materials organisch sind, dann haben Sie dem Klima einen riesigen Dienst erwiesen. Aber sie wohnen auch in einem Haus, das schöner ist, gesünder ist, das sich gut anfühlt, das gut riecht und das man sogar wiederverwenden kann.
Also einmal im Leben sollte man sich richtig entscheiden. Für den Holzbau.
Jane-Beryl Simmer: Super, vielen herzlichen Dank, Herr Professor.
Prof. Joachim Schellnhuber: Gerne.
