Good Vibrations im Holzbau
Thomas Hillberger hat einen beeindruckenden Weg hinter sich – von der Matura an der HTL-Bregenz im Maschinenbau/Wirtschaftsingenieurwesen über den Bachelor in Bau- und Umweltingenieurwissenschaften an der Universität Innsbruck, bis hin zu gleich zwei Masterabschlüssen: in Umweltingenieurwissenschaften mit dem Vertiefungsmodul Energieeffizientes Bauen und in Bauingenieurwissenschaften mit dem Vertiefungsmodul Konstruktiver Ingenieurbau.
Seine berufliche Laufbahn führte ihn als Universitätsassistent an den Arbeitsbereich Holzbau der Universität Innsbruck. Dort hat er an einer Reihe innovativer Forschungsprojekte mitgearbeitet – von CFix, einem neuartigen Schraubverbindungssystem für den Holzbau, über Fold2Bend bis zu seinem aktuellen Projekt Good Vibrations, das sich mit der aktiven Schwingungsreduzierung bei Holzmassivdecken beschäftigt.
Seine Forschungsinteressen reichen von personeninduzierten Schwingungen im Holzbau über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bauwesen bis hin zur programmunterstützten Auswertung von Prüfergebnissen und energieeffizientem Bauen.
Good Vibrations im Holzbau
– wie Dr. techn. Thomas Hillberger bei Schwingungen den Takt vorgibt.
Praxisvorführung
Dr. techn. Thomas Hillberger
Forschung und Entwicklung im Holzbau, Universität Innsbruck
Holzbau-Meister Thomas Hutzinger
Projektierung und Bemessung, SIHGA GmbH
Thomas Hutzinger (SIHGA GmbH):
Was stand am Beginn deiner Arbeit – die konkrete Idee zum aktiven Schwingungsdämpfer oder die grundlegende Analyse, dass Holzbauten in bestimmten Fällen zu unerwünschten Schwingungen neigen?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Zu Beginn standen wir vor der Herausforderung, dass Massivholzdecken oft mit höheren Deckenstärken ausgeführt werden, als es mit Blick auf die Tragfähigkeit der Strukturen notwendig wäre. Ausschlaggebend ist dabei in zahlreichen Fällen der Schwingungsnachweis. Explizit diese Abhängigkeit wollten wir reduzieren, daher war auch im ersten Moment zweitrangig, wie das Problem gelöst wird. Vorhergehende Untersuchungen und die Literaturrecherche zeigten aber, welches Potenzial hinter der aktiven Schwingungsreduzierung steckt. Damit fiel dann auch die Entscheidung, wie wir diese Herausforderung lösen wollen.
Thomas Hutzinger (SIHGA):
Gab es einen klar definierten Auslöser für deine Dissertation oder entwickelte sich das Thema schrittweise im Rahmen deiner bisherigen Forschungstätigkeit?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Einen klar definierten Auslöser dafür gab es nicht. Die Problematik stand im Raum und aufgrund meiner bisherigen Ausbildung und Tätigkeiten war es möglich, die aktive Schwingungsreduzierung als Dissertationsthema in Betracht zu ziehen. Natürlich war mein persönliches Interesse für diesen Bereich ebenfalls sehr förderlich.
Thomas Hutzinger (SIHGA GmbH):
Wie bist du bei der Auswahl der Projektpartner und bei der Sicherstellung der notwendigen Ressourcen für Good Vibrations vorgegangen?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Im Allgemeinen stellten wir uns am Anfang die Frage, welche Firmen sich vorstellen könnten, ein solch innovatives und vielleicht auch etwas außergewöhnliches Projekt im Holzbau zu unterstützen. Die sehr guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit bei bereits abgeschlossenen Projekten zwischen der Firma SIHGA und der Universität Innsbruck veranlassten uns dazu, für dieses Projekt die Kolleg:innen in Blau mit ins Boot zu holen. Bereiche wie das Feuchtemonitoring zeigten uns, dass auch sie über den Tellerrand hinausblicken und ebenfalls das notwendige Know-how in der Verarbeitung von Messdaten vorhanden ist.
Thomas Hutzinger. (SIHGA GmbH):
Welche Aspekte stellten zu Beginn die größten Herausforderungen dar – die technische Entwicklung, die Finanzierung oder die komplexen Materialeigenschaften von Holz?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Wie man sich vorstellen kann, stellte die größte Herausforderung das aktive Element dar – die sogenannte Hardware sowie das Zusammenspiel zwischen Messtechnik und der Regelung des Linearmotors. Es muss immer berücksichtigt werden, dass für einen gelernten Bauingenieur die Umsetzung und Entwicklung eines elektromagnetischen Schwingungsdämpfers samt der notwendigen Regelung eine etwas größere Herausforderung darstellt als die Mechanik und der Holzbau an sich. Nichtsdestotrotz ist das dynamische Verhalten von Deckensystemen und die personeninduzierte Erregung in den theoretischen Grundlagen sowie in der Umsetzung der aktiven Schwingungsreduzierung ebenfalls keine leichte Kost. Was ich damit sagen möchte, ist, dass genügend weitere Herausforderungen vorhanden waren, die jedoch mit ausreichend Motivation bewältigbar sind.
Thomas Hutzinger (SIHGA GmbH):
Gab es Phasen im Projektverlauf, in denen die Zielerreichung gefährdet schien, und wie bist du damit umgegangen?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Ich glaube, sehr viele Personen, die eine Dissertation oder generell ein mehrjähriges Projekt zum Abschluss bringen, können dabei auf Phasen zurückblicken, in denen das Projekt zu scheitern droht. Solche Tiefen gab es natürlich auch bei mir. Eine Hilfe dabei ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, aber vor allem auch der private sowie der berufliche Rückhalt. Damit lassen sich solche schwierigen Zeiten gut meistern. Ein wichtiger Punkt ist ebenfalls die Abwechslung. Sowohl durch sportliche Aktivitäten als auch durch zusätzliche Aufgaben in der Arbeit, wie etwa Lehrtätigkeiten, war es mir möglich, meine Gedanken wieder neu zu sortieren und Herausforderungen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Thomas Hutzinger (SIHGA GmbH):
Kannst du die Funktionsweise des aktiven Schwingungsdämpfers so darstellen, dass sie sowohl für Fachpublikum als auch für technisch interessierte Laien nachvollziehbar ist?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Das dynamische Verhalten von Decken basiert darauf, dass die Deckenmasse in Bewegung versetzt wird und dadurch, in Abhängigkeit von bestimmten geometrischen und dynamischen Parametern, die Struktur zu schwingen beginnt. Diese Krafterregung kann z. B. durch Personen erfolgen, die infolge ihrer Bewegung die Struktur in Schwingung versetzen. Dabei geht es jedoch nicht um klassische Schallschutzmaßnahmen, sondern um tieffrequente Schwingungen im Bereich von unter 30 Hz. Diese können speziell von Personen auf der Decke als unangenehm empfunden werden.
Bei experimentellen Untersuchungen messbar sind beispielsweise Antwortgrößen wie die Auslenkung, Geschwindigkeit oder Beschleunigung. Für die Beurteilung des Schwingungsverhaltens werden ebenfalls gemessene Werte der Schwingbeschleunigung herangezogen. In unserem Projekt verwenden wir die Messdaten der Schwingbeschleunigung und erzeugen dadurch eine dynamische Kraft der beweglichen Masse des aktiven Elements, die entgegen der definierten Antwortgröße wirkt und damit die Schwingbeschleunigung im betrachteten Zeitraum reduziert. Erzeugt wird dabei die erforderliche dynamische Kraft durch Linearmotoren, welche eine definierte Masse mit bestimmter Beschleunigung in die entsprechende Richtung beschleunigen.
Thomas Hutzinger (SIHGA GmbH):
In welchem Anwendungsbereich siehst du die ersten Einsatzmöglichkeiten – im mehrgeschossigen Holzbau oder in kleineren Bauprojekten mit erhöhten Anforderungen an den Nutzungskomfort?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Im Neubau wird dies der mehrgeschoßige Holzbau sein. Dort, wo viel Holz verbaut wird, kann auch viel eingespart werden bzw. ermöglicht diese Technologie eventuell die Realisierung einer weiteren Etage.
Thomas Hutzinger (SIHGA GmbH):
Welchen konkreten Nutzen erwartest du dir dadurch für den Holzbau – beispielsweise in Bezug auf Sicherheit, Nachhaltigkeit oder Komfort?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Unser Fokus liegt auf der Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit und damit hauptsächlich auf dem Komfort jener Personen, die sich auf der Decke befinden. Im Gegensatz zu sicherheitsrelevanten Systemen, bei denen ein Ausfall gravierende Folgen hätte, ist dies im vorliegenden Fall weniger bedeutend. Trotzdem muss darauf geachtet werden, dass die Systeme einwandfrei funktionieren und länger andauernde Ausfälle nicht stattfinden. Die Definition von zusätzlichen Grenzwerten ermöglicht den Schutz der Einheit selbst. Die Nachhaltigkeit spielt natürlich in Bezug auf den ressourcenschonenden Umgang mit Baumaterialien ebenfalls eine Rolle, muss jedoch der erforderlichen elektrischen Energie gegenübergestellt werden.
Thomas Hutzinger (SIHGA GmbH):
Das System ist derzeit auf flache BSP-Decken ausgerichtet – inwieweit lässt es sich technisch auf Holz-Beton-Verbunddecken übertragen, und welche Anpassungen wären dafür erforderlich?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Es sollte auch möglich sein, dieses System für Holz-Beton-Verbunddecken einzusetzen. Anpassungen dahingehend könnten eine Erhöhung der aufgebrachten dynamischen Kraft beinhalten, obwohl diese hauptsächlich von der Erregung und den auf der Decke befindlichen Personen abhängt. Zu dieser Thematik sind jedoch noch weitere Untersuchungen zur aktiven Schwingungsreduzierung erforderlich. Von essenzieller Bedeutung ist ebenfalls der mögliche Zugang für Wartungsarbeiten. Dieser muss, wie auch bei reinen Brettsperrholzelementen, gewährleistet sein.
Thomas Hutzinger (SIHGA GmbH):
Welche Möglichkeiten siehst du, das System zukünftig durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz an unterschiedliche Belastungssituationen anzupassen?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Durch die KI bieten sich in vielen Bereichen des Ingenieurwesens neue Möglichkeiten zur Problemlösung. Sie ist jedoch nicht das Allheilmittel für jeden Bereich des alltäglichen Lebens. Trotzdem ist auch hier eine Verbesserung der aktiven Einheit erzielbar. Wie bereits angesprochen, könnten Erregungen erkannt und in weiterer Folge die Verstärkungsfaktoren, auf denen die Schwingbeschleunigung basiert, entsprechend angepasst werden. Weiters sollte es möglich sein, optimale Zeitpunkte und Intensitäten von entgegenwirkenden Impulsen zu bestimmen. Hierfür bedarf es jedoch noch weiterer Datenerhebungen. Beim vorliegenden Prototyp sind solche Anpassungen bestimmter Parameter sehr einfach via Bluetooth möglich.
Thomas Hutzinger (SIHGA GmbH):
In welchem Umfang könnte die breite Anwendung dieser Technologie die Schwingungseigenschaften von Holzbauten langfristig verbessern?
Thomas Hillberger (Universität Innsbruck):
Wie bereits erwähnt, liegt im Neubau der Fokus auf dem mehrgeschoßigen Holzbau. Die Einsparungen an Material können wiederum eine Steigerung der Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Materialien wie Stahlbeton bewirken. Zusätzlich sehe ich jedoch auch großes Potenzial bei der Sanierung von Bestandsobjekten bzw. wenn Grenzwerte der Gebrauchstauglichkeit in Bezug auf das Schwingungsverhalten nicht eingehalten werden können. Dies kann ebenfalls der Fall sein, wenn sich die Nutzung des Objekts verändert und beispielsweise ein Dachboden zu einer eigenständigen Wohneinheit ausgebaut werden soll. Ein weiteres Beispiel ergibt sich bei nicht vorhandenen Wohnungskomfort aufgrund von äußeren Erregungen, wie beispielsweise einer Straßenbahn.